CSD Bremen grenzt die Fetisch-Community aus

In Bremen ist man gerade dabei, den Geist der Parade, die sich auf die Ereignisse in der Christopher Street im Juni 1969 bezieht, zu Grabe zu tragen. In den „Visionen und Grundsätzen“ verbieten die Organisatoren des diesjährigen CSD Bremen „Fetischdarstellungen“, weil sich diese nicht mit „Themen wie Asylrecht, Trans*Recht oder queere Krankenversorgung“ vertragen. Zudem sei es ein Problem, dass das Publikum nicht einwilligen könne, ob es Fetische sehen möchte oder nicht.

Screenshot_InternetseiteCSDBremen

Wer so argumentiert, der findet es möglicherweise auch richtig, dass Kinderbücher, die LGBTQ*-Themen behandeln, nicht in Buchhandlungen zugänglich gemacht werden dürfen. Zumindest sollte man in Bremen überlegen, ob man durch den Auschluss eines Teils der queeren Community den Anspruch, sich CSD nennen zu können, nicht verspielt hat.

Bizarrerweise haben dieselben Macher*innen den Anspruch, „mehr Kommunikation her[zu]stellen zwischen den Menschen der queeren Community, damit es weniger Ausgrenzung innerhalb der Community gibt“.

Liest man sich durch die „Visionen“, dann wird schnell klar, dass hier jemand eine reine Lehre verbreiten will, von der nichts ablenken soll, schon gar nicht irgendwas Sexuelles. Kein Kommerz, keine Party, keine politischen Parteien. Community und politisch korrekter Aktivismus pur, sozusagen – und auf keinen Fall Fetischdarstellung! HIV-Aktivist Marcel Dahms empfahl via Twitter ob solch prüden Spießertums einen Blick ins queere Geschichtsbuch zu werden. In der Tat attackiert der CSD Bremen genau jene Menschen und jenes Aufbegehren gegen Kriminalisierung und Normierung, dem er seine Existenz verdankt. Dass der Versuch, Fetisch-Leuten als das Böse der Community auszuschließen, leider keine neue Erscheinung ist, zeigt u.a. ein Blog-Beitrag vom Zaunfink aus dem Jahr 2019: „Die eigene Aggression gegen andere Sexualitäten/Identitäten […], wird in einem Akt der Schuldumkehr verschleiert, indem man sich selbst zum Opfer der Fetischistïnnen erklärt“.

Der CSD hat etwas mit Zumutung zu tun, genau wie Homosexualität etwas mit Sexualität. In queeren Zeiten scheint das Sexuelle erneut und auf beunruhigend reaktionäre Weise als anstößig gebrandmarkt zu werden. In Bremen wollte man vermutlich alles richtig machen und – vor allem – auf der richtigen Seite sein. Tatsächlich bereitet man geistig und faktisch den Weg in ein neues Jakobinertum, das die Vision der Kämpfer*innen von Stonewall und die emanzipatorische Kraft des Queeren verrät. / ©RH

NACHTRAG 18.7.: Der CSD Bremen hat am heutigen Sonntag eine Pressemitteilung herausgegeben.

Links:

Die „Visionen und Grundsätze“ auf der Internetseite des CSD Bremen

Bericht auf queer.de: „Entsetzen über Fetischverbot beim CSD Bremen

„Und raus bist du! Fetisch beim CSD“ Der Zaunfink (WordPress-Blog)

5 Kommentare zu „CSD Bremen grenzt die Fetisch-Community aus

  1. Reglementierungsversuche und Ausgrenzungstendenzen innerhalb der eigenen Community haben eine lange Tradition und sind in der Regel immer gescheitert. Siehe der vor Jahren in Köln gestartete Versuch die Erscheinung der jeweiligen Teilnehmer*innen zu normieren. Auch in Westberlin gab es 1979 die Tendenz Freunde des sogenannten Motorsports und Natursekts vom CSD auszuschließen, mittels ihnen unterstellter faschistoider Tendenzen. Was sich damals bereits nicht hat aufrechterhalten lassen. Auch erinnere ich mich daran, dass der damals gemeinsam in Berlin und Bremen zeitgleich am letzten Sonnabend im Juni 1979 organisierte CSD in Berlin als solcher stattfand, in Bremen dagegen als „schwuler Karneval“, was sich auch nicht durchgesetzt hat. Glücklicherweise.

    1. Danke für die Einordnung, dass derartigen Kontrollversuche wenig Erfolg beschieden war/ist. Es bringt ein wenig Gelassenheit ins überhitzte Kommentieren. Aber ist es nicht traurig, dass 2021 immer noch das selbe Muster des Ausschlusses verhandelt wird wie 1979?

  2. Ich bin auch gegen generellen Kontrolle und Zensur.
    Aber vieles wie z.B. Menschen mit Hundenmasken auf alle viere an eine Kette geführt werden, könnten viele Heten abstößen und gegen uns einstimmen.
    Und ich will auf keinen Fall Motorräder auf einer CSD, die die Luft verpesten und meine Gesundheit gefährden.

    1. Es wird immer etwas geben, was angeblich „die Heten“ abstößt – dann aber hätten sich Homo-, Bi-, Transsexuelle niemals auf die Straße trauen dürfen.

  3. An einer Stelle ihres Pamphlets empfehlen die Organisatoren, mehr zu reflektieren. Sie selbst sind die allerersten, die sich an den eigenen Rat halten sollten. Wir erleben hier, wie die fauligen Früchte der jahrzehntelangen Gleichmachereipolitik geerntet werden, einer Politik, die nicht Akzeptanz des Andersseins forderte, sondern propagierte, alle seien gleich und etwaige doch vorhandene Unterschiede gehören ins gut abgedunkelte und verschlossene Schlafzimmer.

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