Murks am Montagmorgen: Bevormundung von Heinz-Jürgen Voß (um Bevormundung zu vermeiden)

Der Montagmorgen zählt generell nicht zu den beliebtesten Zeiten: Die Woche, der Job fangen an, man weiß noch nicht, ob sich die Bekanntschaft vom Wochenende wieder melden wird. Und in den Medien muss man blöde Dinge lesen. Den Murks am heutigen Montag verdanken wir: einem gequälten Artikel aus der Queer-Theorie-Tastatur von Heinz-Jürgen Voß …

Heinz-Jürgen Voß Voß ist, laut seiner Internetseite, seit Ende 2012 „externe/r Mitarbeiter/in, LS Sprachwissenschaft und therapeutische Kommunikation, Europa Universität Viadrina; Forschungsprojekt ‚Sexualität und Gender als Begriffskulturen in der Biologie‘“. Er macht einen Vorschlag. Statt einseitig vom Westen aus auf das politische Geschehen in Russland einwirken zu wollen, sollte eher den Homosexuellen vor Ort zugehört werden, sollten deren Belange von ihnen selbst formuliert und hierzulande berücksichtigt werden. Dadurch könne das Stereotyp vom alleswissenden Deutschen und vom einfach gestrickten Russen vermieden werden. Das ist, in meinen Worten, die Essenz eines Artikels von Heinz-Jürgen Voß unter dem Titel „Statt deutscher Bevormundung – russische Lesben und Schwule müssen den Ton angeben“.

Soweit, so gut. Könnte man drüber nachdenken. Ganz so leicht ist die Sache aber nicht zu haben! Voß ist zuhause im Sprech der Queer-Theorie und Gender-Studien. Mit den dort gepflegten Sprachgeboten kennt er sich aus. Arroganz ist ihm fern. Zwangsläufig. Denn sie ist der blinde Fleck der Queer-Theorie.

Voß wendet sich an die Schwulen in Deutschland. Und nur an die Schwulen. Sie bevormunden, sie instrumentalisieren! Lesben in Deutschland sind also fein raus. Redet er von Russland, ist von Lesben und Schwulen die Rede. Um sich in seinen elitären Zirkeln zu beweisen, muss der Mann Voß zeigen, dass er anderen Männern ans Bein pinkeln kann. Er tut das korrekterweise im Sitzen, also am Schreibtisch.

Natürlich geht es nicht ohne eine kleine Geschichtslektion und den Holocaust. Drunter machen es Queer-Schreiber wie Voß nie. Schon in der ersten Passage heißt es:

„Vor diesem Hintergrund, der mit den Weltkriegen folgenden Geschichte, dem Rassenwahn, der Ermordung von Millionen von Menschen durch die Deutschen, erstaunt es schon sehr, wenn man heute in Texten und Abbildungen wieder auf das Bild Russlands als eines zu zivilisierenden Nachbarn stößt.“

Beispiele für Texte und Abbildungen bleibt Voß – wie es in seiner Zunft üblich ist – schuldig. Darum geht es ihm auch nicht. Er will sich damit nur selbst gleich vorneweg auf der moralisch richtigen Seite postieren. Er hat die Lehre der Geschichte gelernt. Wir dummen Rest-Homos, die wir alle voller Alltagsrassismus und Alltagssexismus stecken und einfach so drauflos plappern, natürlich nicht. Wenn’s denn aber mal nur die Geschichte wäre. Auch in der Gegenwart machen wir ungebildeten Party-Homos alles falsch:

„Während intensiv über das neue Sondergesetz für Lesben und Schwule, die ‚Homo-Ehe‘, diskutiert wurde, konnte die Neubestimmung Deutschlands als militärische Weltmacht – unter anderem mit dem Krieg gegen Afghanistan – durchgesetzt werden.“

Vielleicht hat ein nationaler schwuler Trottel auch noch die Blumen im Vorgarten gegossen, es gewagt, ein Ikea-Regal „Made in Korea“ oder – ganz schlimm! – eine Zitrone aus Israel zu kaufen und womöglich hat einer auch noch eine Rentenvorsorge abgeschlossen, während doch das Eis der Antarktis schmilzt. Das kann nur konservativen Schwachmaten passieren, die heiraten wollen und es nicht blicken, dass da eine Verschwörung im Gange ist, die Deutschland als „militärische Weltmacht“ durchdrückt. Ereignisse laufen in dieser Welt nun mal gleichzeitig ab. Voß‘ Unterstellung ist die, dass – im Gegensatz zu ihm – Schwule zu blöd sind, sowohl die Homo-Ehe zu fordern als auch eine eigene Meinung zu den Problemlagen der Welt zu haben.

Ganz schlimm wird es, wenn es sich dumpfe, unreflektierte Homos herausnehmen, wie zuletzt anlässlich der Compact-Konferenz in Leipzig gegen Homo-Hasser zu demonstrieren.

„Letztere beteiligen sich mit solch plakativen Aktionen nur an der deutschen Großerzählung, dass Deutschland emanzipatorisch geworden sei und lenken ab von den rechtsradikalen Übergriffen in Deutschland und auch von den rassistischen und transphoben Übergriffen in der schwulen Szene selbst.“

Alle Empörung über Homo-Hasser nur ein Ablenkungsmanöver! So elegant denunziert der universitäre Schreiber die Menschen, die aktiv gegen etwas demonstrieren. Auch die Leute von „Enough is Enough“ kriegen ihr Fett weg. Statt sich in den Straßenkampf in Moskau zu stürzen, demonstrieren sie auf deutschem Boden. Russische Schwule und Lesben seien tatsächlich in Gefahr,

„… während Vertreter des deutschen schwulen Establishments, die am Berliner Potsdamer Platz medienwirksam Fackeln anzünden, keinerlei Gefahr ausgesetzt sind, sondern nach der Aktion sich zu Hause auf ihr Sofa setzen.“

Wohlfeile Häme eines Schreibtischtäters! Was nun Russland angeht:

„Eine Unterstützung aus Deutschland muss sich davor hüten, dominant zu werden.“

Dieser Satz ist relativ gut verständlich, den kapieren möglicherweise sogar solche Establishment-Schwulen, die gegen Schwulenhass demonstrieren … Weit gefehlt. Denn es gibt da eine klitzekleine Bedingung:

„Gleichzeitig gilt es, die postkolonialen Kritiken unter anderem von Gayatri Chakravorty Spivak zu verstehen.“

Genau! Ohne die geht es gar nicht. Aber das hat der Homo in seiner Dummheit wieder nicht mitbedacht. Heinz-Jürgen Voß weist uns noch darauf hin, dass wir deutsche Schwulen uns nicht instrumentalisieren lassen und uns nicht selbst erhöhen dürfen. Das tut zwar – außer vielleicht in irgendwelchen Facebook-Wut-Kommentaren – gar niemand, das soll uns aber nicht weiter stören. Hauptsache, wir kapieren, was wir anrichten können, wenn wir was tun, ohne Herrn Voß und die Queer-Theorie befragt zu haben.

Und falls irgendein Schwachkopf mal gedacht haben sollte, Texte in deutschen Medien seien zu irgendetwas nutze, auch dem zieht Herr Voß den Zahn:

„Medienbeiträge in Deutschland helfen erst einmal russischen Lesben und Schwulen nicht – sie dienen eben im Wesentlichen einer Selbsterhöhung der Deutschen (‚ach, wir sind ja so emanzipatorisch…‘). Wenn berichtet werden soll, ist stets der postkoloniale Hintergrund zu beleuchten und sollten Interviews (offen, nicht gerichtet) mit Russ_innen erfolgen.“

Klare Kante mit größtmöglichster Verachtung, die nur ein Schreibtischmensch für andere Schreibtischmenschen haben kann. Aber in seiner Güte sagt er es uns, damit wir uns nicht weiter in politische Widersprüche verheddern. Gut, dass es Menschen wie Voß gibt, die den Überblick haben, weil sie mit allen queer-theoretischen Wassern gewaschen sind und nun über allen Wassern schweben. /©RH

Ein Kommentar zu „Murks am Montagmorgen: Bevormundung von Heinz-Jürgen Voß (um Bevormundung zu vermeiden)

  1. „Postkolonial“ ist übrigens ein beliebter Begriff in der Genderdiskussion, doch er wird nirgendwo erklärt. Ich bin seit einiger Zeit am lesen von Gendertexten aus den letzten Jahrzehnten. Sogar in der vorgeschichtlichen Zeit gab es Gender! Es besteht die Gefahr, dass diese völlig vergessen oder ignoriert werden! Wer über Russland diskutieren will, sollte unbedingt die Ausgabe Nr. 10/2013 von „Osteuropa“ lesen!

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