
Die Momentaufnahmen von Mayk D. Opiolla – gepostet auf seinem Blog Geflügel mit Worten – sind mittlerweile zu einem verlässlichen Begleiter durchs Jahr geworden. Ebenso verlässlich erinnert das Erscheinen des Buches daran, dass sich das Jahr auf die Schlussgerade begibt. Nun also schon der siebte Band, der das verflixte siebte Jahr des Erzählers auf der Insel Langeoog (mit gelegentlichen Abstechern aufs Festland) schildert. Dabei wurden die Momentaufnahmen des Blogs um weitere acht, bislang unveröffentlichte Texte erweitert.
Wenig überraschend spielt die Corona-Pandemie, die uns alle überrascht hat, eine zentrale Rolle. Die Quarantäne wird nicht nur für den Erzähler selbst, sondern auch für die Insel und ihre Bewohner*innen insgesamt zu einer Herausforderung. „Die Touristen sind fort, das Dorf rottet sich zusammen“, heißt es lapidar im Ankündigungstext, um dann fortzufahren: „In der Isolation entsteht neue Nähe, aber es gärt auch eine Menge Gift im Langeooger Mikrokosmos.“
Wobei auch hier das Virus weniger als die Ursache erscheint, denn als ein Katalysator für allzu leicht Verdrängtes. Wie es gärt, durfte der Autor auch in der Realität erleben, wo ihm aufgrund einer eher harmlosen Bemerkung – ein einzelner Satz – im Kapitel „Nähe“ vorgeworfen wurde, er würde die Langeooger negativ darstellen. In Band 7 findet dieses Auseinandersetzung selbst keinen Eingang, gleichwohl dreht sich vieles um die Frage, welche Schattenseiten das vermeintliche Inselparadies hat. In angenehmer Klarheit und unter der bezeichnenden Überschrift „Wach“ findet sich dieses Fazit: „Es ist ein wundervolles Leben auf Langeoog, aber es gibt für alles einen Preis. Und für manche Dinge ist er ziemlich hoch.“ Die Paradoxien, die sich aus Inselidyll bei gleichzeitigem Vermarktungs- und kapitalistischem Verwertungsinteresse (Bauland) ergeben, sind nicht neu, zeichnen sich aber nochmals deutlicher ab. Die Momentaufnahmen schildern die menschliche Umwelt, haben aber zugleich stets die Umwelt, die wir als Natur wahrnehmen, im Blick.
Vielleicht ist es gar nicht so zufällig, dass die Aufenthalte in einem Zisterzienserstift und einem Exerzitienhaus einen großen Raum im Erzählten einnehmen, die Auseinandersetzung des Erzählers mit seinem Glauben, seiner Spiritualität. Und, ach ja, dann wäre da noch die Liebe, der er begegnet. Für einen Moment ist man als Leser ganz irritiert. Waren in den vorangehenden Bänden nicht Gedanken über selbstgewähltes zölibatäres Leben zu lesen? Und muss man den Erzähler in eine neue sexuelle Schublade stecken, weil er nun mit einer Frau zusammen ist? Eine Antwort hält das Kapitel „Start“ bereit. Fast am Schluss des Bandes findet sich ein sehr schöner Satz, der die Zartheit aller Liebe angesichts der individuellen Vergangenheiten fasst: „Und ich vertraue ihr, soweit mein ramponiertes Herz das zulässt.“ Allein wegen solcher Perlen lohnt sich der neue Band der Momentaufnahmen. Aber auch, weil im Ablauf des Lebens des Erzählers und in der Verknüpfung mit dem Inselleben viel Allgemeingültiges aufscheint, weil sich viel Unerwartetes (Wunderbares) ereignet und sich – für Leser*innen wie für den Erzähler selbst – die Frage stellt, wie man trotzdem oder gerade deswegen seinen Weg findet.
Buchinfo: Mayk D. Opiolla: Momentaufnahmen 7 — Von Viren und Wundern. ISBN-13: 9783751993838, Paperback, 184 Seiten, 12,50 €
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