Österreichischer Verfassungsgerichtshof öffnet Ehe für gleichgeschlechtliche Paare

„Tu felix Austria nube“ – In Österreich wusste man ja immer schon um die Vorzüge guter Heiratspolitik. Jetzt steht die Möglichkeit, das Beste draus zumachen, auch Schwulen und Lesben offen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Regelung aufgehoben, die gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe verwehrte. Diese verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz und das damit einhergehende Diskriminierungsverbot. Die Unterscheidung in Ehe und eingetragene Partnerschaft lasse sich nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren, heißt es in einer Erklärung des Verfassungsgerichtshof. „Denn die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringt zum Ausdruck, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind.“

Im Gegenzug muss wiederum die Eingetragene Partnerschaft, die es in Österreich seit 2010 für Homosexuelle gibt, für heterosexuelle Paare geöffnet werden. Die Ehe-Öffnung tritt ab 1. Januar 2019 in Kraft.
Die Entscheidung des obersten Gerichts Österreichs erfolgte aufgrund der Beschwerde eines lesbischen Paares. Umfragen zufolge sind etwa 62 Prozent der österreichischen Bevölkerung für eine „Ehe für alle“. Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler Österreichs, Sebastian Kurz, hatte sich im Wahlkampf gegen eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen.

1 Antwort to “Österreichischer Verfassungsgerichtshof öffnet Ehe für gleichgeschlechtliche Paare”


  1. 1 Ralf Dezember 6, 2017 um 11:15 am

    Einmal mehr fällt mir der Unterschied im Verfassungsverständnis auf. In Österreich -wie in anderen Ländern, in denen das Eheverbot vom jeweiligen Höchstgericht als verfassungswidrig aufgehoben wurde- wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Verfassung allen gleiche Rechte zuspricht. In Deutschland -wohl einzigartig auf der Welt- wird dagegen vorausgesetzt, dass die Verfassung Ungleichbehandlungsgebote enthalte. Paradebeispiel ist das angebliche Eheverbot, das wahnsinnigerweise gerade daraus abgeleitet wird, dass es gar nicht im Verfassungstext steht. Die dahinter stehende Denkweise ist klar: Es wird nicht selbstverständlich von der Gleichheit der Menschen (égalité der Französischen Revolution, created equal in der Unabhängigkeitserklärung der USA) ausgegangen, sondern als natur- oder gottgegebenen Urzustand postuliert man in Deutschland die Ungleichheit der Menschen, was sicher zum nationalsozialistischen Erbe der deutschen Rechtslehre gehört. Sollen alle Menschen dem entgegen gleich behandelt werden, so muss das ausdrücklich (d.h. als besondere Ausnahme) im Verfassungstext geschrieben stehen. Ich habe das selbst über viele Jahre hinweg in meinen Prozessen um gleiche Beamtenbesoldung erlebt. Das Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht (durch eine damals noch von den Rechtsaußen-Richtern di Fabio und Landau dominierte Kammer) beriefen sich stets auf die Ungleichheit einerseits hetero-, andererseits homosexueller Menschen, die es rechtfertige, letzteren gleiche Rechte vorzuenthalten. Das Gleichbehandlungsgebot gelte für Schwule und Lesben nicht, da sie auf Grund ihrer sexuellen Orientierung ungleich seien. (Diese Argumentation ist die selbe, die das Bundesverfassungsgericht schon 1957 vorgetragen hatte, um die nationalsozialistische Schwulenverfolgung aufrecht zu erhalten.) So erfreulich die österreichische Entscheidung ist – deutschem Verfassungsverständnis entspricht sie nicht. Sie brächte freilich das Bundesverfassungsgericht bei einer etwaigen Befassung mit der Eheöffnung in eine hochnotpeinliche Situation: wie begründen, dass was in Linz ein Menschenrecht ist, in Passau verfassungswidrig sein soll? Insoweit kann sich der Spruch des Verfassungsgerichtshofs von Österreich durchaus auch auf Deutschland auswirken.


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